Fabian oder der Gang vor die Hunde
Im Berlin des Jahres 1931 lässt sich der Germanist und Werbetexter Fabian (Tom Schilling) durch das Leben treiben. Während er tagsüber für die Werbung einer Zigarettenfirma zuständig ist, ist er nachts oft mit seinem Studienkollegen Labude (Albrecht Schuch) unterwegs und macht die Unterweltkneipen, Bordelle und Künstlerateliers unsicher. Das sorglose Leben der beiden jungen Männer wird durch eine durch Kommunisten und Nationalsozialisten geteilte Gesellschaft zunehmend bedroht und auch Labude träumt davon, dass die Klassen gegen die Obrigkeit revolutionieren. Fabian kann mit dem politischen Umbruch nicht viel anfangen und kommentiert die Geschehnisse ironisch. Eines Tages trifft er in einem Atelier auf Cornelia (Saskia Rosendahl) und verliebt sich auf den ersten Blick in sie. Fabians naives Leben nimmt eine dramatische Wendung, als er einer Entlassungswelle zum Opfer fällt, Cornelias Karriere als Schauspielerin jedoch an Fahrt aufnimmt…
David Copperfield – Einmal Reichtum und zurück
Ein Junge, der ohne Vater aufwächst und eine freie Kindheit erlebt, bis seine Mutter erneut heiratet. Ein gewalttätiger Stiefvater, der sich in dieses friedlich-verspielte Leben drängt und den Jungen aus der Familie. Die Mutter stirbt. Der Junge mäandert durch die Welt, durch grausig schlechte und überraschend fabelhafte Zeiten. Er entwickelt seine Gabe, die chaotischen Wechselfälle des Lebens durch Geschichten festzuhalten. Charles Dickens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts spielender Klassiker wurde mehrfach verfilmt, die beginnende Industrialisierung düster in Szene gesetzt, der Fokus lag auf den tragischen Begebenheiten, aus denen sich der Held mühsam heraus kämpfen musste. Der phantastische Komiker und Regisseur Armando Iannucci inszeniert ihn nun ganz wunderbar als Schelmenroman. Er lässt David Copperfield mit offenem Mund durch die Welt taumeln, all die merkwürdigen Figuren, die in seinem Leben auftauchen, wieder verschwinden oder ihn begleiten, genau betrachtend –zugewandt, verschreckt, bewundernd, aber nie verurteilend. Copperfields Staunen über die Welt und seine Fähigkeit darüber zu berichten, setzt der Regisseur leichtfüßig in Szene, ohne die Bedrückungen der schwierigen Kindheitsumstände zu verharmlosen. Sternstunden finden statt, wenn der jungerwachsene David auf seine exzentrische Tante Betsy Trotwood und ihren noch schrägeren WG-Genossen Mr. Dick trifft. Ein großartiges Filmvergnügen für die ganze Familie!
Mata Hari
Mata Hari: sagenumwobene Tänzerin, mysteriöse Doppel-Spionin und freiberufliche Künstlerin in Paris kurz vor dem I. Weltkrieg. Ihr Größenwahn bescherte Mata Hari den Erfolg als Tänzerin und Verführerin – am Ende jedoch auch die Exekution durch ein zwölfköpfiges Erschießungskommando. Kann man als freie Künstlerin ohne den gewissen Größenwahn überhaupt überleben? Ein Stück über Mata Hari und die Lebensrealität freier Künstlerinnen, die sich und ihre Kunst nicht als Ware verstehen wollen, aber trotzdem als solche verkaufen müssen.
Klang der Stille – Copying Beethoven
Die Handlung spielt im Jahr 1824. Ludwig van Beethoven ist mit der Fertigstellung seiner 9. Sinfonie in Verzug, deren Premiere in wenigen Tagen bevorsteht. Sein Musikverleger Schlemmer schickt ihm die Musikstudentin Anna Holtz als Kopistin zur Unterstützung. Beethoven hat zunächst Zweifel, ob eine Frau für diese Arbeit geeignet ist, fasst jedoch Vertrauen zu ihr, als sie in der Sinfonie eine Änderung vornimmt, die seiner Meinung nach von ihm selbst hätte kommen sollen. Trotz Beethovens Taubheit und seines exzentrischen Verhaltens freunden sich die beiden an und stellen die Sinfonie fertig.
Blackbird – Eine Familiengeschichte
Das amerikanisch-britische Drama erzählt von einer Frau, die unheilbar krank ist und ihrem Leben ein selbstbestimmtes Ende setzen will. Also schart sie ihre Lieben noch einmal um sich, an einem Wochenende in der Weihnachtszeit will sie sich von ihrem Ehemann, den beiden erwachsenen Töchtern und dem Rest der Familie verabschieden. „Eine Familiengeschichte“ ist ein klassisches Film-Kammerspiel mit einem hochklassigen Ensemble, ausgezeichneten Dialog-Texten und eher Zimmer-statt Ortswechseln. Mehr braucht es hier auch nicht, der Anlass für das Familientreffen ist dramatisch genug. Ein in jeder Beziehung sehr sehenswerter Film.
Die Wiedervereinigung der beiden Koreas
Liebe. In all ihren Facetten des Zusammenseins, der Trennung, des Glücks und des Unglücks, der schieren Unmöglichkeit. Liebe – eine immerwährende Illusion? In schnell aufeinanderfolgenden Szenen kämpfen 27 Frauen und 24 Männer um ihr Glück: Hochzeiten geraten ins Wanken, Prostituierte werden enttäuscht, lange verschwiegene Wahrheiten kommen ans Licht, Freundschaften verlieren den Boden. Pommerat erforscht die unerklärliche Kraft der Liebe mal konkret, mal mit tragischer Poesie, mal absurd-surreal, immer scharf beobachtend und oft mit stiller Komik. Wie durch ein schillerndes Kaleidoskop zeigt er die Fragilität zwischenmenschlicher Beziehungen. Wohlbekannte Alltagssituationen geraten mit einem Wimpernschlag aus den Fugen, unerwartete Wendungen stellen die herkömmlichen Vorstellungen von Liebe auf den Kopf.
Ventajas des viajar en tren – die obskuren Geschichten eines Zugreisenden OmU Cine Español
Die Verlegerin Helga Pato sitzt im Zug, nachdem sie ihren Mann in der Psychiatrie abgeliefert hat. Im Zug lernt sie Dr. Sanagustin kennen, der ihr von seinem Berufsleben erzählt, insbesondere von einem Fall, wie er ungewöhnlicher nicht sein könnte. Die Geschichte eines Mannes, der beim Militär war, der nur noch einen Arm hatte, der mit dem puren Bösen in Kontakt kam, der einer Psychose erlegen ist. Ist es wahr, was er erzählte, oder alles nur aufeinander abgestimmte Spinnerei? Der Verlegerin Helga Pato könnte das egal sein, aber sie wird in diese Geschichte hineingezogen, ist sie selbst doch gerade erst dem Wahnsinn entkommen. Fasziniert ist sie aber auf jeden Fall und möchte mehr wissen. Der Übergang ist fließend, alles geht ineinander über. Der Film erzählt von den Obsessionen seiner Figuren, von deren Perversionen – ob nun eingebildet oder real. Er macht das mit einer immensen Raffinesse, der man sich nicht entziehen kann. Die geschliffenen Dialoge, das Abgleiten ins Surreale, das alles sind Elemente eines großen Films, der in seiner Erzählweise sicherlich bizarr, aber auch höchst faszinierend ist.
Enfant Terrible
Der Film zeigt in dramatischer Form und mit expressiver Bildsprache Episoden aus dem Leben Fassbinders, der in diesem Jahr 75 geworden wäre, und bringt dabei die vielen Facetten des Künstlers zu Geltung: vom genialen Dramatiker und Regisseur über den verzweifelt nach sich selbst und der Liebe Suchenden bis hin zum charismatischen Anführer, der seine Weg- und Lebensgefährten schikaniert und dazu antreibt, ein einzigartiges filmisches Werk zu schaffen. Der Anspruch Roehlers, sich mit seinem Film dem „Fassbinderschen Universum“ zu nähern, kommt in der effektvollen Licht- und Farbdramaturgie sowie dem Szenenbild Fassbinderscher Prägung zum Ausdruck. Vor allem aber in der Bedeutung, die dem Schauspiel als kollektive Leistung beigemessen wird: ein hochkarätiges Ensemble um den Fassbinder-Darsteller Oliver Masucci lässt die wichtigsten Akteure der von Fassbinder beeinflussten Richtung des Neuen Deutschen Films noch einmal auftreten – darunter einige, die selbst damals zum Fassbinderschen „Clan“ gehörten und nun den einstigen WeggefährtInnnen ihre Referenz erweisen. Zu Beginn zeigt der Film eine Liedzeile des von Jeanne Moreau gesungenen Chansons aus Fassbinders letztem Film „Querelle“: „Each man kills the thing he loves“. Wow!
Sarajevo – Die Toten tanzen noch
Die siebte Produktion der Moreth Company ist gleichzeitig die erste, bei der Konstantin Moreth das Stück selbst verfasst hat.
Ein skurril-düsterer Reigen, ein Tanz auf dem Vulkan, ein Requiem, eine Ode an das Leben, gewidmet den tapferen Einwohnern von Sarajevo. Die Belagerung von Sarajevo bildet den Hintergrund einer morbiden, gleichwohl lebenshungrigen Erzählung. Da, wo der Tod am nächsten ist, brennt das Leben am hellsten. Adem arbeitet in einer Kneipe in Sarajevo. Nacht für Nacht. Adem schläft nicht mehr. Seit er im Krieg seine große Liebe gefunden und wieder verloren hat, lebt er ohne Ziel vor sich hin, umgeben von den immer gleichen Gästen, heimgesucht von den Dämonen seiner Vergangenheit, des Krieges und der Liebe. Abend für Abend erwachen die Geschichten, werden Lieder gesungen, und die Toten sind allgegenwärtig…
Und dann ist da noch dieser Cellist: Vedran Smailović: 27. Mai 1992. Eine Mörserattacke der Serben auf einen Platz, der 22 Menschen zum Opfer fallen, weil sie um Brot anstanden. Nach diesem Angriff nahm Smailović sein Cello und spielte 22 Tage lang mitten auf verschiedenen Plätzen der Stadt, im Fadenkreuz der Scharfschützen für die Opfer und überlebte es. Dies ist ein universelles Bild für Menschlichkeit angesichts einer menschenverachtenden Situation, wie sie die Belagerung von Sarajevo darstellt.
Tenet
Der Film folgt dem Erlebnis des namenlosen Protagonisten, einem Geheimdienstmitarbeiter. Er und andere Kämpfer werden mit sich aus verschiedenen Zeitebenen überlagerten Realitäten konfrontiert. Bereits in der Eröffnungsszene wird ein mutmaßlicher Anschlag auf ein Opernhaus in der Ukraine gezeigt. Eine Gewehrkugel fliegt rückwärts aus dem Objekt heraus, statt einzuschlagen. Munition und andere Gegenstände werden als „invertiert“ bezeichnet, sie sind mit einer „umgekehrten Zeit“ aufgeladen. Im Verlauf des Films zeigt sich, dass Personen und Objekte tatsächlich gegen die Zeit laufen können. Ein russischer Oligarch nutzt diese Eigenschaft. Der Filmwissenschaftler Marcus Stiglegger dazu: „Es ist tatsächlich so, dass diese momentane Gleichzeitigkeit des diese momentane Gleichzeitigkeit des sich vorwärts und rückwärts in der Zeit des Bewegens eine wichtige Rolle spielt“. Sven Hauburg schreibt für die Teleschau: „Zwar sei es nicht immer leicht, die komplexe Handlung des Films zu verstehen. Man sieht dennoch einen verdammt großartigen Film.“ Lars -Olav Beier schließt seine Rezession im SPIEGEL mit: „So cool hat ein überlebensgroßer Held auf der Leinwand selten gewirkt“.