Das Alejandro Gonzáles Iñárritu zu den ganz großen Filmemachern unserer Zeit gezählt werden darf, ist wohl unbestritten. Nicht zuletzt der Blick auf die Academy Awards der jüngeren Zeit – an der Schnittstelle von Kunst und Kommerz kein ganz unwichtiger Gradmesser – spricht Bände: zwei aufeinanderfolgende Regie-Oscars für BIRDMAN und THE REVENANT, was kann da noch kommen? In seinem neuen Film verarbeitet Iñárritu sein heutiges Leben als Künstler, sorgt für ein Minimum an Verschleierung und lässt ansonsten keine Zurückhaltung walten. Der Protagonist BARDO ist der Journalist und Dokumentarfilmer Silverio, der in seiner Heimat Mexiko zwar berühmt ist, so wirklich mit Ehre aber vor allem in den USA überhäuft wird. Weshalb der Hautwohnsitz auch längst nach Kalifornien verlegt ist, wo die beiden fast erwachsenen Kinder größtenteils aufgewachsen sind. Ein Nachzüglerbaby – damit beginnt der Film – haben Silverio und seine Frau Camilla vor nicht allzu langer Zeit verloren, was ebenso Anlass zur Introspektion gibt (also das eigene Leben zu analysieren) wie ein renommierter Preis, der ihm in der Wahlheimat verliehen werden soll. Ein Künstler, der in seiner Heimat nicht die gewünschte Wertschätzung erfährt, die er sich sehnlich wünscht, und im neuen Zuhause derart privilegiert lebt, das ist ein interessanter Ausgangspunkt für Iñárritus Film. Er erzählt das nicht linear oder realistisch, sondern wie bei FELLINI eher surrealistisch, in dem die unterschiedlichsten Lebensphasen, -konflikte und -themen ineinander verschwimmen. Und dabei gelingen ihm etliche meisterlich inszenierte und technisch brillante Sequenzen. Er zeigt mal wieder, wozu er imstande ist. Unbedingt sehenswert!

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=lCQimQfDuTs

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  • Die erfundene Chronik einer Handvoll Wahrheiten
  • R: A.G. Iñárritu – B: Nicolás Giacobone, A.G. Iñárritu – K: Darius Khondji – M: Bryce Dessner – D: Daniel Giménez Cacho, Giselda Siciliani, Ximena Lamadrid – Mexiko/USA 2022, L: 170 Min. FSK 16