Wir sehen es auch als Aufgabe des Stadttheaters neue Formate, experimentelles, junges Theater zu fördern und diesem eine Bühne zu bieten, vor allem dann, wenn es ein kreatives Kollektiv am Ammersee gibt, das damit lokalen Bezug zur Gegend und persönlichen Bezug zum Stadttheater hat.
Mit seiner neuen Produktion begibt sich das freie Theaterkollektiv ELLE Kollektiv zusammen mit dem Duo Paschke/Lakner erstmals in einen gemeinsamen künstlerischen Prozess und erarbeitet auf Grundlage der Erzählung “Der Bau” von Franz Kafka einen performativen Abend für Tanz, Musik und Schauspiel. Mit einem Blick durch Kafkas Text hindurch ins Heute, stellt sich die schockierend aktuelle Frage: Wie kann man als Individuum ein immer stärker werdendes gesellschaftliches Stimmungsgefüge aus Angst und Paranoia durchbrechen? Das ELLE Kollektiv, 2017 am Ammersee gegründet, besteht aus Elisabeth- Marie Leistikow und Luis Lüps, Schauspiel und Regie, dem Bühnen- und Kostümbildner Louis Panizza und der freien Theatermacherin Anna Winde-Hertling. Für ihre immersiven, partizipativen und ortsspezifischen Theaterprojekte arbeitet das Kollektiv mit Laien und Profis und verhandelt stets essenzielle Themen in innovativen Formaten. Nach der Trilogie „Die schlafende Vernunft“ am Ammersee, „King Kong – ein Theater Spa“ am PATHOS München, dem Theaterfilm „Be Water my Reporterin“ und „Graulieschen – eine Landpartie“ entstand 2024 die Stückentwicklung „Forever Old“ an den Münchner Kammerspielen. ELLE ist Träger des Tassilo-Kulturpreises der Süddeutschen Zeitung und kommt nun erstmals ins Stadttheater.
Lara Paschke, zeitgenössische Tänzerin, Tanzvermittlerin und Choreographin aus München initiiert partizipative Performanceprojekte für Personen mit unterschiedlichen sozialen und kulturellen Hintergründen und kreiert eigene professionelle Tanzproduktionen für junges Publikum, meist interdisziplinär angelegte Projekte. Sie erhielt ein Stipendium für kulturelle Bildung der Stadt München, ihre Produktion „(t)RAUM“ wurde u. a. zum Tanztreffen der Jugend der Berliner Festspiele eingeladen. Jakob Lakner studierte klassische und Jazz-Klarinette sowie Jazz-Komposition, lebt derzeit in Oberbayern und spielt regelmäßig mit seinen beiden Bands Yxalag und Monaco Swing Ensemble in Deutschland und Europa. Er arbeitet als Musikpädagoge sowie als Komponist und Arrangeur für Theater und diverse Ensembles und Orchester.
“Der Bau” handelt von einem Tierwesen, das sich zum Schutz vor den Gefahren der Außenwelt einen festungsartigen, unterirdischen Bau errichtet hat. Doch auch nach der mühseligen Fertigstellung ist die Bedrohung nicht gebannt: Denn ein rätselhaftes Zischen durchbricht die Stille. Nachbarn? Eindringlinge? Soldaten? Wasserschaden? Fieberhaft jagt das Tier durch seine Gänge, um die Ursache auszumachen. Jedes Geräusch, jede Abweichung und jede Unregelmäßigkeit deutet auf einen drohenden Angriff hin, überall, so scheint es, lauert der Feind. Unaufhörliche Zweifel am Lebenswerk und der eigenen Wahrnehmung plagen den Baumeister, Vorsicht und Wachsamkeit mutieren zu Paranoia und Angst, sodass sich die zum Schutz erbaute Festung in ihr Gegenteil, in ein klaustrophobisches Gefängnis, verkehrt. Weder das Außen noch das Innen scheinen noch sicher. Der Bau wird zur Falle und die Suche nach dem vermeintlichen Feind zum Kampf mit dem eigenen Ich.
Dauer: ca. 70 Min keine Pause