Hierzulande wird gerade wieder viel über Menschenrechtsverletzungen gestritten. Über die Freiheit des Individuums und angebliche Diktaturen. Dabei ist es noch gar nicht lange her, dass in Deutschland tatsächlich Menschenrechte missachtet wurden mit Auswirkungen bis in die Gegenwart. Der Paragraf 175 stellte über 100 Jahre lang homosexuelle Handlungen unter Strafe – erst 1994 wurde er aus den Gesetzbüchern gestrichen. Allein in der Nachkriegszeit stellte man in der BRD noch 100 000 Männer vor Gericht. Als Beweis für das schändliche Treiben der sogenannten 175er legte man den Richtern Liebesbriefe vor oder heimlich aufgenommene Fotos aus öffentlichen Toiletten. Mit solchen Bildern beginnt auch Sebastian Meises Liebes- und Leidensdrama „Große Freiheit“. Man sieht einen Mann, der schnellen Sex mit anderen Männern hat: Hans ist schwul und will sich das vom Staat nicht verbieten lassen. Also wandert er in den Knast. Es ist das Jahr 1968, er hat sich an all das längst gewöhnt. Schon 20 Jahre zuvor, direkt nach Kriegsende, kam Hans ins Gefängnis. 1969 wird der Paragraf 175 gelockert und das Totalverbot der Homosexualität aufgehoben. Während sich die Welt verändert, bleibt für Hans alles gleich. Franz Rogowski spielt das wahnsinnig gut, mit wenigen Worten und intensiven Blicken. Ebenso stark ist Georg Friedrich in der Rolle von Viktor. Der verurteilte Mörder ist homophob, brutal und zutiefst verzweifelt. Als ihm Hans als neuer Zellengenosse zugewiesen wird, entwickelt sich nach und nach so etwas wie eine Schicksalsgemeinschaft. Sie passen aufeinander auf, fast wie ein altes Ehepaar. Was die beiden genau verbindet – eine freundschaftliche, fürsorgliche, liebende oder sexuelle Beziehung – bleibt offen.
Große Freiheit