Alter Ego ist der elfjährige Paul, der dort in einer jüdischen Mittelschichtsfamilie im Stadtteil Flushing aufwächst. Die Erinnerung an Flucht und Holocaust ist mit seinem geliebten Großvater noch präsent. Der Vater hat als Klempner ein Auskommen, die Mutter engagiert sich im Elternbeirat, aber Furcht hängt immer noch schwer über der Familie. Paul und sein Bruder müssen es aufs College schaffen, der Druck des amerikanischen Traums lastet auf ihnen, mit Ronald Reagans Wahlsieg zieht die neue Kälte der Gewinner übers Land. Pauls Schulfreund Johnny macht genauso gern harmlosen Unsinn wie Paul, weshalb die beiden schon am ersten Schultag vorn an der Tafel landen. Der Unterschied liegt in der Hautfarbe – Johnny ist der einzige Schwarze in der Klasse. Deshalb wird er härter bestraft als Paul. Pauls Familie beschließt daraufhin, dass im öffentlichen Schulsystem ungute Einflüsse herrschen. Und auch wenn der Großvater sehr entschieden postuliert, dass man Schwarze jederzeit gegen Rassismus verteidigen muss, opfert er sein Erspartes, damit Paul wie sein Bruder auf eine Privatschule kommt, auf der es eben keine schwarzen Mitschüler gibt. Diese Schule gleicht bis ins Detail der Schule, auf die der Regisseur James Gray dann tatsächlich ging. So wie, Jahre vor ihm, ein gewisser Donald Trump. Paul trägt jetzt einen blauen Schulblazer mit einem goldenen Wappen. Als zur Sprache kommt, dass er jüdisch ist, gibt es bereits am ersten Tag Komplikationen. Paul begreift, wie falsch das alles ist, und will mit Johnny, der inzwischen keinen Schul- und nicht einmal mehr einen Schlafplatz hat, abhauen. Zur Geldbeschaffung stehlen sie einen alten Schulcomputer – aber alles endet jämmerlich auf dem Polizeirevier. Dank einer Bekanntschaft kommt Paul noch einmal davon. Johnny hat dieses Glück nicht. Die USA zeigen sich als Land der Härte. Heranwachsen heißt hier Realitäten ins Auge schauen, die bis heute nichts von ihrer Bitterkeit verloren haben. In ihrer skrupellosen Gier und ihrem politischen Reaktionismus erscheint diese Zeit in James Grays Rückblick durchaus nachvollziehbar als Brutstätte des späteren Trumpismus. Ein Familiendrama, das im Kleinen spiegelt, wohin das ganze Land steuern könnte.

Filmforum, Kino

Zeiten des Umbruchs

  • New York, 1980: Der gefeierte Regisseur James Gray erzählt von seiner Jugend.
  • R+B: James Gray – K: Darius Khondji – M: Christopher Spelman – D: Anthony Hopkins, Anne Hathaway, Jeremy Strong, Michel Banks Repeta, Jaylin Webb – USA 2022, L: 106 Min. FSK 12